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Prof. George Y. Kohler

Zum Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge

Patriotische Gesellschaft, 27.1.2021

Nachdem ich mich vielseitig kundig gemacht habe, möchte ich gern meine Meinung zum Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge darstellen. Nach einigem Abwägen denke ich, dass ich das Projekt voll unterstützen kann.

Zuerst einmal ist natürlich echtes jüdisches Leben, zumal in Deutschland, immer besser als das eindrucksvollste Denkmal. Lebendiges Judentum ist sozusagen das beste Denkmal für den Sieg des Lebens über die Mordlust der Nazis. Ja, es ist ein Revidieren der Geschichte, aber die Revision ist selbst auch Teil der deutschen Geschichte, nichts wird dadurch ungeschehen gemacht – sondern es wird im besten Sinne wieder gut gemacht. Ich sehe es als einen Akt später Gerechtigkeit, denn so sehr das Erinnern für die Deutschen wichtig sein mag, so sehr brauchen die Juden noch lange keine äußeren Anstöße, um das Geschehene nicht zu vergessen. Was sie vielmehr brauchen, ist ein Ort in der Mitte der Stadt, der ihnen zeigt, dass sie wieder ein Teil dieser Stadt sind, wie sie es so lange waren. Ich mochte die jetzige Gestaltung des Platzes auch (also nicht unbedingt den Bunker), aber was ist schon ein Denkmal gegen ein aktives jüdisches Bethaus? Was mich am meisten überzeugt hat, war das Argument, dass es sich hier vor allem um die Rückgabe eines gestohlenen Ortes handelt, und damit tatsächlich um eine Reparation, nicht um das Leugnen des Verbrechens. Wir erinnern uns ja nicht um des Erinnerns wegen, sondern weil wir aus der Geschichte lernen wollen.

Meine anfänglichen Bedenken richteten sich vor allem auf ein passendes Nutzungskonzept für das wiedererrichtete große Gebäude. Zu oft wurden in den letzten Jahren in Deutschland Synagogen gebaut, die zum Protzen mehr geeignet sind als zum Beten (München, Mainz), und oft gar nicht den Bedürfnissen der lokalen jüdischen Gemeinde genügen. Hier hat mich Rabbiner Bistritzky aufgeklärt und überzeugt. Ich hoffe allerdings sehr, dass im Rahmen der neuen Innengestaltung des Hauses Platz zum Gebet für alle Hamburger Jüdinnen und Juden sein wird, die dort beten möchten, egal welcher religiösen Richtung sie angehören. Das würde heute vielleicht sogar Rabbiner Carlebach gutheißen. Auch denke ich nicht, dass nur die jüdische Gemeinde allein darüber zu entscheiden hat, ob die Synagoge wieder aufgebaut wird – sie soll und wird ja doch ein Teil Hamburgs sein, und hoffentlich auch von nichtjüdischen Hamburgern besucht werden. Insofern habe ich mich über die breite Unterstützung des Projekts in der Bürgerschaft sehr gefreut.

Prof. George Y. Kohler, Director, The Joseph Carlebach Institute, Bar-Ilan University, Ramat-Gan/Israel